Pflanzenschutzgebiete
Vom Schutz einzelner Pflanzen hin zum Lebensraumschutz
Die Pflanzenschutzgebiete des Kantons Appenzell Innerrhoden wurden basierend auf dem Werk von Rudolf Widmer "Die Pflanzenwelt des Appenzellerlandes" aus dem Jahre 1975 ausgeschieden. Sie zeichnen sich durch eine einzigartige Pflanzenwelt mit vielen floristischen Highlights und Seltenheiten aus. Im Alpstein kommen rund tausend Blütenpflanzen-Arten vor. Davon sind knapp 300 eigentliche Alpenpflanzen.
Mit dem Standeskommissionsbeschluss über die Errichtung von Pflanzenschutzgebieten vom
- August 2006 wurden die Pflanzenschutzgebiete definitiv ausgeschieden. In den Schutzgebieten ist jegliches Pflücken und Sammeln von Pflanzen nach Art. 19 Abs. 1 der kantonalen Verordnung über den Natur- und Heimatschutz verboten.
Im Kanton Appenzell Innerrhoden wurden folgende fünf Pflanzenschutzgebiete ausgewiesen:
- Altmann-Fählensee (456 ha)
- Marwees-Alp Sigel (284 ha)
- Oberer Helchen (6 ha)
- Reslenzapfen am Seealpsee (3 ha)
- Säntis-Seealpsee (422 ha)
Die ersten Schutzbestrebungen im Alpstein fussten weniger auf naturschützerischen Grundsätzen, sondern vielmehr auf der Ressourcensicherung für die Jagd, nachdem die Bestände von Rothirsch, Gämse, Murmeltier und Reh stark zurückgegangen oder sogar ganz ausgerottet worden waren. So wurde im 19. und 20. Jahrhundert durch Ausscheidung eines Jagdbanngebietes und durch Aussetzungen eine Wiederansiedlung dieser Arten ermöglicht. Heute steht der Schutz ganzer Lebensräume im Vordergrund. Aufforstungen und die heutige naturnahe Pflege bestehender Wälder haben vielerorts zu einer Verbesserung des Waldzustands geführt. Feuchtgebiete bleiben erhalten, da sie nicht mehr trockengelegt werden und auch kein Dünger mehr ausgebracht wird. Das Ausbringen von Dünger aus tieferen Lagen auf Alpweiden ist heute verboten.
Im Alpstein sind viele verschiedene Lebensräume mit einer Vielzahl an Pflanzenarten zu finden. Die Vergletscherung und der spätere Gletscher - Rückzug nach der letzten Eiszeit führte zur Bildung von vernässten Flächen, wodurch die Alpseen und die Voraussetzungen für die Bildung von Mooren entstanden. Aufgrund der kargen Bedingungen rund um den Säntis wachsen spezialisierte Arten wie der Alpen-Schwingel (Festuca alpina, Bild 1) auf Kalkfelsfluren. Die ursprüngliche extensive Alpwirtschaft brachte Wiesen und Weiden mit üppigem Blütenreichtum hervor.
Geröll, Schutt und Fels
Der Alpstein besteht aus Kalkgestein. Auf Kalkböden kommt eine andere und reichere Vegetation vor als auf Böden mit Granit oder Gneis. Viele der Pflanzen sind darauf angepasst, mit dem Kalk-Überschuss umgehen zu können, wie zum Beispiel der Trauben-Steinbrech (Saxifraga paniculata, Bild 2), welcher über die Blattöffnungen Kalk ausscheidet und so weisse Ränder an den Blättern bildet. Das Steinschmückel (Petrocallis pyrenaica, Bild 3) ist selten, aber typisch für den Alpstein und hoch oben in den Kalkfelsfluren zu finden. Noch seltener und vom Aussterben bedroht ist das Graue Felsenblümchen (Draba incana, Bild 4), welches in der Schweiz nur noch in drei Gebieten, unter anderem im Alpstein, vorkommt.
Auf den beweglichen Schutt- und Geröllfluren kommen mangels geeigneter Keimstellen wenig einjährige Pflanzen vor. Arten wie der Berg-Baldrian (Valeriana montana, Bild 5) besitzen hingegen zugresistente Wurzeln und lange Triebe, wodurch sie nach einer Zuschüttung wieder an die Oberfläche gelangen können.
Rasengesellschaften
Bei der Verwitterung von Felsgestein oberhalb der Waldgrenze bildet sich mit der Zeit ein Rasen. Blütenstaub, Wüstensand, Russ usw. führen dazu, dass sich nach und nach eine dünne Humusschicht bildet. Abhängig vom (Mikro)-Klima entstehen unterschiedliche Rasentypen wie zum Beispiel der Polsterseggen-Rasen oder der Blaugras-Rasen. Darauf finden sich auch Orchideen wie das Schwarze Männertreu (Nigritella rhellicani, Bild 6) oder die Kugelorchis (Traunsteinera globosa, Bild 7).
Bergwälder
Die im Gebirgswald vorherrschende Baumart ist die Fichte (Picea abies). Sie kommt meist in Lagen zwischen 800 und 1800 m.ü.M. vor (Fichtenbestände im Mittelland sind nicht natürlich und gehen auf Aufforstungen zurück). Die Leg-Föhre (Pinus mugo subsp. mugo) und die Rotbuche (Fagus sylvatica) kommen ebenfalls vor. An Standorten mit ausreichender Humusauflage gesellt sich die Weisstanne (Abies alba) hinzu, zum Beispiel auf der Alp Sigel bis auf 1600 m ü. M. Die Waldgrenze variiert je nach Lage und liegt auf südexponierten Hängen zwischen 1700-1800 m ü. M. und auf nordexponierten zwischen 1550-1650 m ü. M.
Wiesen und Weiden
Durch die landwirtschaftliche Nutzung ehemals bewaldeter Flächen entstanden nach der Rodung Wiesen und Weiden. Ohne Mahd und Beweidung würden diese rasch wieder verbuschen. Grasfresser gestalten die Landschaft und halten die Flächen frei. Extensive Bewirtschaftung erhöht die Strukturvielfalt und schafft damit unterschiedliche Lebensraumbedingungen für verschiedenste Pflanzen- und Tierarten. Das Alpsteingebiet umfasst viele Sömmerungsweiden wie sie zum Beispiel auf der Alp Sigel zu finden sind. Dies sind traditionell alpwirtschaftlich genutzte Flächen, wo das Vieh nur saisonal im Sommer auf der Weide steht. Auf ihnen sind blütenreiche Vegetationstypen zu finden wie die Bergfettwiesen mit der gelb blühenden Trollblume (Trollius europaeus, Bild 8) und die artenreichen Halbtrockenrasen, welche Orchideen wie die Langspornige Handwurz (Gymnadenia conopsea, Bild 9) beherbergen.
Feuchtgebiete
Kleine Sümpfe und vernässte Stellen entstehen dort, wo Wasser austritt oder in Mulden, wo angesammeltes Schmelzwasser nur langsam versickert. Sie beherbergen vor allem Seggen und Simsen. Ebenso gerne begleitet der zitronengelb blühende Bach-Steinbrech (Saxifraga aizoides, Bild 10) die Quellfluren, Bachränder und feuchte Hänge.
An geeigneten feuchten Standorten haben sich über Jahrhunderte Moore entwickelt. Durch den Sauerstoffmangel im Boden wird totes Pflanzenmaterial nicht vollständig abgebaut und es bildet sich eine Torfschicht. Aus dem so entstandenen Flachmoor kann die Torfschicht immer dicker werden und aufwölben – wodurch mit der Zeit ein Hochmoor entsteht. Ähnlich einem Schwamm saugt sich das Hochmoor mit nährstoffarmem Regenwasser voll und bietet verschiedensten Tieren und Pflanzen einen besonderen Lebensraum. Ein solches findet sich im Schutzgebiet «Obere Helchen», dem kleinsten der fünf Pflanzenschutzgebiete. Darin wachsen auf nährstoffarme Bedingungen angepasste Arten wie das Wollgras (Eriophorum spp., Bild 11), das mit seinen weissen, kugeligen Ähren beeindruckt.
Seen und Tümpel
Die drei Seen im Innern des Alpsteins (Sämtisersee, Fählensee und Seealpsee) sind häufig besuchte Ausflugsziele. Weder im See noch am Seeufer ist die Vegetation besonders üppig. Dies liegt insbesondere daran, dass sie lange mit Schnee und Eis bedeckt sind und sich im Sommer relativ langsam erwärmen.
Eine Besonderheit allerdings ist das Vorkommen der sogenannten Armleuchteralge. Die Gewöhnliche Armleuchteralge (Chara vulgaris, Bild 12) ist eine Pionierart in Gewässern. Das heisst sie kann besonders gut neu geschaffene vegetationsfreie Lebensräume besiedeln. Sie ist eine der wenigen Armleuchteralgen-Arten mit Vorkommen bis in die alpine Höhenstufe. Ihren Namen verdanken die Armleuchteralgen den ringsum angeordneten Seitentrieben, welche die Geschlechtsorgane wie die Kerzen auf dem Kronleuchter tragen. Armleuchteralgen reagieren empfindlich auf Nährstoffbelastung, weshalb sie als Indikatoren für den Gewässerzustand genutzt werden.