1775 bis 1784 - Der Sutterhandel
Aufklärung und gesellschaftlicher Wandel am Ende des Ancien Regime
Der Sutterhandel, eine der wichtigsten Begebenheiten der Innerrhoder Geschichte, zeigt in exemplarischer Weise das Einsetzen eines - wenn auch zaghaften - gesellschaftlichen Wandels im Zeitalter der Aufklärung. Anton Joseph Sutter (1720-1784) wuchs auf einem Bauerngut im Lehn bei Appenzell auf. Um 1753 zog er mit seiner Familie ins Gontenbad, wo er als Badmeister und Wirt wirkte. Dank seines leutseligen Wesens erwarb er sich bald einen grossen Freundeskreis. 1760 wählte ihn die Landsgemeinde überraschend zum Vogt in der Landvogtei Rheintal. Da Sutter bei der Wahl in dieses lukrative Amt mehrere altgediente Amtsleute ausstach, machte er sich als sozialer Aufsteiger viele Neider und Feinde.
Nach seiner Rückkehr aus dem Rheintal wurde Sutter 1762 zum Landammann gewählt, ein Amt, das er bis 1775 ausübte. In dieser Zeit geriet er zunehmend in Konflikt mit der eingesessenen Führungsschicht, die nur darauf wartete, die Laufbahn des Emporkömmlings zu beenden. Gelegenheit dazu ergab sich, als Sutter um 1767 auf den Gedanken kam, die hintere Alp Sämtis, welche dem Hof Oberriet gehörte, in den Besitz Innerrhodens zu überführen und sich bei dieser Gelegenheit selber zu bereichern. Trotz des gut dotierten Amtes als Landvogt litt er nämlich unter finanziellen Problemen. Aus einfachen Verhältnissen stammend, hatte er für einen standesgemässen Auftritt grosse Geldsummen ausgeben müssen. Arglistig liess man ihn zunächst bei seinem unlauteren Vorgehen gewähren. Nachdem die bedrängten Oberrieter von den eidgenössischen Orten jedoch einen Richtspruch erlangt hatten, der zu ihren Gunsten ausfiel, wurde Sutter fallen gelassen. Entgegen herkömmlichem Landrecht enthob ihn der Landrat 1775 mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Landammann. Als er sich darauf für einige Zeit auf Wallfahrt nach Einsiedeln begab, interpretierte der Landrat die Landesabwesenheit als Eingeständnis landesverräterischer Umtriebe und verurteilte ihn zu 101 Jahren Verbannung aus der Eidgenossenschaft. Aufgrund dieser Vorfälle übersiedelte Sutter zunächst ins Thurgau, dann nach Süddeutschland.
1783 brachte die Obrigkeit Sutters Schwager Baptist Räss durch harte Haft und Verhöre dazu, ihn durch Falschaussagen noch stärker als Verräter zu belasten. 1784 wurde Sutter durch falsche Zusagen ins Appenzellerland gelockt und verhaftet. Obwohl er auch unter Folter seine Unschuld beteuerte, verurteilte ihn der Landrat zum Tode. Das Urteil wurde im selben Jahr unter Ausschluss der Öffentlichkeit vollstreckt. Hundert Soldaten hatten mit aufgepflanzten Bajonetten dafür zu sorgen, dass niemand den Strafvollzug störte. Damit war Sutter zwar beseitigt, der Fall mottete in der Bevölkerung aber noch jahrelang weiter. Erst 1829, nach mehreren politischen Umstürzen, wurden Sutter und seine Anhänger offiziell vom Vorwurf des Landesverrats entlastet und rehabilitiert.
Wie sehr der Sutterhandel vor dem Hintergrund des zu Ende gehenden Ancien Regime und der französischen Revolution zu verstehen ist, zeigt die öffentliche Kritik, die der Hasler Pfarrer Joseph Anton Sutter während des Prozesses gegen alt Landammann Sutter übte. Auf Drängen des Innerrhoder Landrates enthob der Bischof von Konstanz deshalb den unbotmässigen Geistlichen bis 1797 vom seinem Amt. Pfarrer Sutter liess sich aber nicht einschüchtern und trat 1798 mit einer gesellschaftskritischen Schrift hervor, in der er die Landesbehörden offen kritisierte. Der Landrat forderte die Bevölkerung unter Strafandrohung auf, die aufrührerischen Druckschriften binnen eines Monats beim Landammann abzugeben. Angesichts des Einmarsches der Franzosen verzichteten die Innerrhoder Behörden dann allerdings auf die Durchsetzung der Anordnung.