1790 - Einführung von Molkenkuren im Kurhaus Weissbad
Blüte des Molken- und Badetourismus vom Biedermeier bis zum Ersten Weltkrieg
Badehäuser sind in Appenzell Innerrhoden seit dem späten 17. Jahrhundert bekannt. 1682 wurden das Hoferbad und das Gontenbad erstmals in einer Chronik erwähnt, 1740 auch das Weissbad. Vorerst kam diesen Einrichtungen jedoch lediglich lokale Bedeutung zu. Dies änderte sich, als sich das ausserrhodische Gais ab 1750 zu einem bekannten Molkenkurort entwickelte. Die Molke oder Schotte war im ausgehenden 18. und 19. Jahrhundert ein Modeheilmittel par excellence. Das Milchwasser, ein Restprodukt der Käseherstellung, diente der Heilung von allerlei Gebresten bis hin zu Tuberkulose und Gicht. Verbunden mit Bädern, Diätvorschriften und Bewegung in der freien Natur wurde ihm grosse Heilkraft zugeschrieben. Daneben kam den Kuraufenthalten einige gesellschaftliche Bedeutung zu. Bald schon tummelten sich in Gais Jahr für Jahr hunderte vornehmer Gäste.
Die warme Molke wurde unter anderem von Innerrhoder Alpen in Tansen nach Gais getragen. Der bekannteste Schottenträger war der aus Brülisau stammende Josef Anton Inauen, im Volksmund 'Schottensepp' genannt. Er trug die wertvolle Fracht jeweils Frühmorgens von der Mesmeralp nach Gais. Auf seine Anregung hin führte sein Sohn Karl Jakob 1790 in der Bäderanlage Weissbad Molkenkuren ein und schuf damit ein florierendes Unternehmen. Die Molkenkuranstalt Weissbad beherbergte in ihrer Blütezeit gegen 400 Gäste aus ganz Europa. Neben komfortablen Räumlichkeiten bot sie den Erholungsbedürftigen Promenadenwege, Tanzanlässe und weitere Vergnügungen. In der Sommerszeit herrschte an schönen Wochenenden geradezu eine mondäne Atmosphäre. Auch das Gontenbad nahm dank seiner mineralhaltigen Quellen und den Molkenkuren nach den napoleonischen Kriegen einen Aufschwung und erhielt um 1830 einen Kurhaus-Neubau. Angeregt durch diese Erfolge entstand 1845 aus einem Müllereibetrieb das Jakobsbad, welches wie das Hoferbad ebenfalls Ziegen- und Kuhmolke anbot. Daneben gab es in bescheidenerem Rahmen das Leimensteiger Bad und das Kaubad.
Nachdem die Molkenkuren Ende des 19. Jahrhunderts etwas ausser Mode geraten waren, vollzog sich mit dem Ersten Weltkrieg ein rascher Niedergang. Viele vornehme Stammgäste verarmten infolge der Kriegswirren und der Hyperinflation von 1923 im Deutschen Reich und in Österreich. Auch jene appenzellischen Schöttler, die jeden Frühling in- und ausländische Kurorte gezogen waren, um dort mit eigenen Kühen Milchprodukte herzustellen und zu verkaufen, kehrten grossenteils in die Heimat zurück. In der Zwischenkriegszeit richtete sich der Tourismus vermehrt auf alpinistisch interessierte Schweizer Gäste aus. Wandern, Klettern und Tourenskifahren waren angesagt. Gewissermassen eine späte Renaissance erlebt der Kurtourismus, seit das ehemalige Kurhaus Weissbad 1994 als komfortables Wellness-Hotel neu eröffnet wurde.