1990 - Einführung des Frauenstimmrechtes
Wandel der politischen Strukturen in den 1990er-Jahren
Eine 1969 durchgeführte konsultative Befragung ergab, dass eine Mehrheit der Innerrhoderinnen dem Frauenstimmrecht skeptisch gegenüberstand. 1359 Frauen lehnten es ab, 1093 waren dafür. Nach gescheiterten Initiativen 1969 und 1970 hiess die Landsgemeinde 1971 das fakultative Frauenstimmrecht in Kirch- und Schulgemeinden gut. Weitere Anläufe zur Einführung der integralen politischen Rechte für die Frauen scheiterten in den Jahren 1973 und 1982. Treibende Kraft in der Aufbruchstimmung waren die Jungbürger, welche sich 1971 zur 'Gruppe für Innerrhoden' zusammenschlossen. Diese setzte sich nicht nur für das Frauenstimmrecht ein, sondern strebte auch die Modernisierung der politischen Strukturen des Kantons an. Entsprechende Vorstösse scheiterten jedoch in den Landsgemeinden 1971/72. Die Gruppe für Innerrhoden war es auch, welche 1979 die Einführung des obligatorischen Finanzreferendums gegen den Willen der Kantonsregierung durchsetzte. Nach 1982 unterblieben weitere reformorientierte Vorstösse.
Erst an der Landsgemeinde 1990 kam es erneut zu einer Frauenstimmrechts-Abstimmung. Obwohl der Grosse Rat das Anliegen einstimmig zur Annahme empfohlen hatte, wurde es im Stimmenverhältnis 3:2 abgelehnt. Darauf bildete sich ein Initiativkomite, welches ein von 1185 Männern (bei 4500 Stimmberechtigten) unterzeichnetes neues Begehren einreichte. Die Gruppe für Innerrhoden doppelte nach und forderte die Einberufung einer ausserordentlichen Landsgemeinde zur Behandlung der Initiative, was vom Grossen Rat allerdings abgelehnt wurde. Inzwischen waren beim Bundesgericht zwei staatsrechtliche Beschwerden, die eine von 49 im Kanton wohnhaften Männern, die andere von 53 Innerrhoder Frauen, gegen den Landsgemeindeentscheid eingereicht worden. Am 26. November 1990 fasste der Innerrhoder Grosse Rat den einstimmigen Beschluss, der Landsgemeinde die Annahme des Initiativbegehens dringend zu empfehlen. Nur einen Tag später hiess das Bundesgericht die beiden staatsrechtlichen Beschwerden gut. Das Frauenstimmrecht wurde auf dem Rechtsweg eingeführt, während die Initiative gegenstandslos wurde. 1991 nahmen die Frauen erstmals an der Landsgemeinde teil und lehnten zusammen mit den Männern eine Initiative auf Abschaffung der Jahrhunderte alten politischen Institution ab.
Mit der Einführung des Frauenstimmrechts ging in vieler Hinsicht ein Ruck durch den Kanton Appenzell Innerrhoden. Unter dem Titel APPIO (Appenzell Innerrhodisches Informatik-, Organisations- und Raumkonzept) beschäftigten sich die Behörden von 1988 bis 1998 mit grundlegenden Reformen, von denen eine ganze Reihe verwirklicht wurde. Die Landsgemeinde 1994 hiess zunächst die Gewaltentrennung zwischen Grossem Rat und Standeskommission gut. Regierungsmitglieder hatten nur noch beratende Stimme und Antragsrecht und waren nicht mehr gleichzeitig Mitglieder des von 56 auf 46 Volksvertreter verkleinerten Parlaments. Ein Jahr später reduzierte die Landsgemeinde auch die Regierung von 9 auf 7 Mitglieder. Das sogenannte Innere Land (Ganzer Kanton ohne die Exklave Oberegg), dem eine eigene Rechtsperson zwischen Kanton und Bezirk zugekommen war und das namentlich im Bereich der Gesundheits- und Sozialpolitik eine wichtige Rolle gespielt hatte, wurde aufgehoben. Nicht zuletzt hiess die Landsgemeinde 1998 die Einführung eines Verwaltungsgerichts gut, während die noch aus dem Mittelalter stammenden Spangerichte, welche über Flur- und Nutzungsstreitigkeiten entschieden hatten, aufgehoben wurden.