1522 bis 1531 - Zeitalter der Glaubensspaltung
Die Reformation führt zu einem paritätischen Staatswesen
Ausgehend von der Kritik Martin Luthers an der katholischen Kirche (1517), trat der Zürcher Geistliche Huldrich Zwingli ab 1522 ebenfalls offen gegen Missstände auf. Gefördert durch die Lehren des St. Galler Reformators Joachim von Watt (Vadian) verbreitete sich das neue Gedankengut auch im Appenzellerland. In den Kirchhören der inneren wie der äusseren Rhoden standen sich Anhänger des alten und des neuen Glaubens gegenüber. Um diese konfliktträchtige Situation zu entschärfen, beschloss die Landsgemeinde vom April 1525, dass jede Pfarrei sich für einen Glauben entscheiden, danach aber Freizügigkeit bestehen solle, damit sich die konfessionelle Minderheit in einer Kirchhöri ihres Bekenntnisses niederlassen könne ('Kirchhöriprinzip').
Mit Ausnahme von Herisau, das noch bis 1529 am alten Glauben festhielt, entschieden sich die äusseren Rhoden für die neue Lehre. Gais, das damals zu den inneren Rhoden zählte, machte die Reformation ebenfalls mit. Die Bewohner der inneren Rhoden hingegen verblieben mehrheitlich beim alten Glauben. Doch die reformierte Minderheit in der Kirchhöri Appenzell gab keine Ruhe. Unterstützt von reformierten Kreisen aus den äusseren Rhoden und vom Stand Zürich versuchten sie, die neue Lehre durchzusetzen. Der katholische Appenzeller Pfarrer Diepolt Hutter wurde von seinen Gegnern mehrfach derart bedrängt, dass er die Pfarrei fluchtartig verlassen musste. 1531 gelang es den Reformierten beinahe, sich durchzusetzen. Doch ein bewaffneter Zug von aufgebrachten Bewohnern aus dem benachbarten Gonten verhinderte die Abschaffung der Messe in Appenzell. Gleichen Jahres besiegten die katholischen Orte das reformierte Zürich im Zweiten Kappelerkrieg, wobei Huldrich Zwingli den Tod fand. Damit waren die Pläne für eine vollständige Reformation des Landes Appenzell gescheitert. Das noch ungeteilte Staatswesen entwickelte sich zum paritätischen Stand, in dem trotz gelegentlichen Spannungen zunächst ein friedliches Nebeneinander der beiden Konfessionen möglich war. Was die inneren und äusseren Rhoden verband, war die gemeinsame Geschichte, dasselbe, von der Landsgemeinde geprägte Staatsverständnis sowie die von beiden getragene, zunächst noch auf Frankreich ausgerichtete Bündnispolitik.